Dom für Bergmänner – Treff der Kulturen

Außen roter Backstein, innen Holz und Gussstahl: In der 1901 gebauten Evangelischen Kirche am Katernberger Markt sollten sich Bergmänner heimisch fühlen. Und von denen gab es eine Menge im Essener Norden. Deswegen ist der „Bergmannsdom“ die größte evangelische Kirche im Rheinland und das drittgrößte Gotteshaus der Region. Lediglich der Kölner Dom und die Wallfahrtskirche in Neviges fassen noch mehr Gläubige.

Pfarrer Kölsch-Rieken

Früher läuteten Bronzeglocken zum Gottesdienst, und Scharen von Bergleuten strömten mit ihren Familien in den roten Backsteinbau am Katernberger Markt, der heute noch fast genauso aussieht wie vor 100 Jahren: roter Backstein außen, innen Holzgewölbe und Gussstahlsäulen. Die Evangelische Kirche, auch „Bergmannsdom“ genannt, wurde 1901 als Ersatz für die Kirche an der Alten Kirchstraße gebaut und steht heute unter Denkmalschutz. Die erst 1877 fertig gestellte alte Kirche war durch den oberflächennahen Kohleabbau bald marode und bot ohnedies der wachsenden Katernberger Gemeinde zu wenig Platz. Ein größerer, repräsentativer Bau für die Gläubigen – in Spitzenzeiten waren es mehr als 16.000 – sollte am Katernberger Markt entstehen, dem zentralen Platz im Stadtteil. An den Baukosten beteiligten sich nicht nur Gemeindemitglieder, sondern auch Zechen- und Fabrikbesitzer. Familie Haniel stiftete damals die Abendmahlsgeräte, die heute noch in Gebrauch sind. „Man wollte zufriedene Arbeiter“, so Jens Kölsch-Ricken, einer der beiden Pfarrer der Gemeinde, die bis heute auf nur noch 5.800 Mitglieder deutlich geschrumpft ist.

Ganz so beeindruckend, wie der Essener Kirchenarchitekt Carl Nordmann den neoromanischen Bergmannsdom geplant hatte, ist er letzten Endes nicht geworden. Denn der Turm wirkt mit seiner Höhe von 36,80 Metern im Verhältnis zum Gesamtbauwerk etwas gestaucht. Die ursprünglich geplante Höhe von 48 Metern jedoch habe das Stoppenberger Landratsamt nicht genehmigt, „weil die evangelische Kirche dann die katholische überragt hätte“, erzählt Kölsch-Ricken.

Im langgezogenen dreischiffigen Innenraum finden 1.430 Menschen Platz – Notsitze nicht mitgerechnet. Die Säulen, die das hölzerne Deckengewölbe und die Holzempore tragen, sind aus Gussstahl gefertigt und damit eine architektonische Besonderheit dieser Kirche. „Man hat bewusst Materialien verwendet, die zu dem vom Bergbau geprägten Stadtteil passen“, erklärt Pfarrer Kölsch-Ricken. Die Stahlsäulen erinnern an die Grubenstempel, das Holz an Verschalungen in den Stollen unter Tage, die verbauten Sand- und Backsteine wiederum ähneln denen der Zechengebäude und Wohnhäuser.

Eingeweiht wurde der Bergmannsdom am 29. September 1901 als klassische Predigerkirche mit fest installierten Holzbänken, die zur hölzernen Kanzel ausgerichtet sind. Prunkstück der Ausstattung ist die Orgel, ein Instrument des damals hoch angesehenen Hof-Orgelbaumeisters Wilhelm Sauer aus Frankfurt/Oder. Die einst romanisch gestimmte Orgel wurde mehrfach erweitert und klanglich verändert – heute ist die Gemeinde bestrebt, dem Instrument sein ursprüngliches Klangbild wiederzugeben.

Engel der Kulturen

Während des Zweiten Weltkrieges blieb die Kirche von Bombeneinschlägen verschont. Die Druckwelle einer Luftmine beschädigte lediglich ein Fenster in der Rückwand des Chores, das während der 1950er-Jahre ersetzt wurde. Es zeigt seither christliche Symbole wie Krippe, Fisch, Grab und Krone. Die Chorwand selbst ziert die erste These der Barmer Theologischen Erklärung – einer Absage an den Nationalsozialismus: „Jesus Christus, wie er in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben.“ Die Worte spiegeln ebenso die Ausrichtung der Gemeinde wider, wie der in den Boden vor dem Kirchenportal eingelassene, leuchtend blaue „Engel der Kulturen“: Er steht für den Dialog der Weltreligionen, den die Evangelische Kirchengemeinde Katernberg aktiv lebt – durch gemeinsame Gottesdienste, Gesprächskreise und Feste nicht nur mit der benachbarten katholischen, sondern auch mit der türkischen Gemeinde.