Die Geburtsstunden des Triple Z
Ein Vorbild für das ZukunftsZentrumZollverein war das London Business Village. Vorbildlich für die Entstehung war die Arbeit des Essener Konsens.
Im Scheinwerferlicht standen damals andere. Die Welt blickte fasziniert nach Berlin.
Die Wiedervereinigung Deutschlands zog Milliarden von Menschen in ihren Bann, und die Aura dieses scheinbaren Wunders schränkte für einige Zeit den Blick für deutsche Realitäten ein. Das Hoch der Wirtschaft – ausgelöst durch eine scheinbar euphorische Nachfrage nach Gütern und Dingen des alltäglichen Gebrauchs – war selbsttrügerisch und nicht von Dauer.
So war das Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre. Nur: Die Lage im Ruhrgebiet hatte sich keineswegs verändert. Im Gegenteil: Die Jugendarbeitslosigkeit stieg weiter an, unter den erwachsenen Arbeitnehmern gab es immer mehr Langzeitarbeitslose und der große Zustrom von Menschen aus den neuen Bundesländern und Osteuropa verschärfte das Problem erheblich.
Mit Schließung der Kokerei Zollverein starb der letzte Industriegigant im Essener Norden. Die Stadt war ab diesem Tag nicht mehr dieselbe. Tausende von Arbeitsplätzen waren vernichtet, die psycho-soziale Wirkung der Schließung auf viele Essener Bürger war desaströs. Der „Pütt“ – ökonomisches Herz der Stadt, größter Arbeitgeber im Stadtteil, Ernährer Tausender Familien – war tot.
Kokerei und „Pütt“ – ob geliebt oder gehasst – waren Mittelpunkt des sozialen Lebens, auch in Essen. Die ökonomischen Folgen der Schließung von Zollverein waren enorm, nicht nur für Katernberg, sondern für ganz Essen, angefangen von der Industrie bis zum Einzelhandel, vom Autohaus bis zur Kneipe an der Ecke. Die Nachwirkungen der Schockwelle sind heute noch spürbar.
Die Katernberg-Konferenz
Das war die Geburtsstunde der Katernberg-Konferenz. Unter der Moderation von Klaus Wermker, Leiter des Amtes für Stadtentwicklung der Stadt Essen, und mit Hilfe der Werbegemeinschaften der Stadtteile Katernberg, Schonnebeck und Stoppenberg entstand ein Bürgerforum, dessen Arbeit schnell Wirkung zeigte. Die Bürger fanden aus der Lethargie heraus und begannen sich für die Veränderungen ihres sozialen Umfeldes zu engagieren. Dies war Nährboden, auch für das spätere Triple Z.
Die Gebäude der ehemals riesigen Industrieanlage waren dem Verfall ausgesetzt. Vandalismus machte sich breit, auch auf der ehemaligen Schachtanlage Zollverein Schacht 4/5/11, dem heutigen Triple Z. 1994 hatte die Deutsche Steinkohle AG das Gelände aufgegeben und ihre zentrale Lehrlingsausbildungsstätte geschlossen.
Wesentliches strategisches Element der Bundesanstalt für Arbeit war zu dieser Zeit das Investieren in die berufliche Bildung und Qualifizierung von arbeitslosen Menschen. Träger der beruflichen Bildung experimentierten mit neuen Formen der Erwachsenenbildung, die stärker die Lernbedingungen ihrer Adressaten berücksichtigten. Man wollte weg vom fächersegmentierten Unterricht, hin zu ganzheitlichen Bildungsangeboten in Gruppen, die auch soziales Lernen ermöglichten. Pionierarbeit leistete hier das Berufsförderungszentrum Essen (Bfz).
Rückblick: 1979 hatte das Bfz vom Landesarbeitsamt NRW den Auftrag erhalten, modellhaft eine Übungswerkstatt zu entwickeln. Ziel war es, Arbeitslosen mit geringer schulischer Ausbildung durch berufspraktische Qualifizierung die Rückkehr in den so genannten ersten Arbeitsmarkt zu ermöglichen.
Zwei elementare Voraussetzungen waren dazu erforderlich, die später zur Entwicklung des „Essener Konsens“ beitrugen. Erstens konnte die Qualifizierung – wenn man erwachsene Menschen mit Berufserfahrung ernst nehmen will – nur aus dem Berufsleben stammen, und das Ergebnis der Qualifizierung musste einen verwertbaren Nutzen haben. Und zweitens – damit dieses Bildungsangebot nicht zu einer „Spielwiese“ wurde, sondern die Integration der Teilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt förderte – musste ein enger Schulterschluss mit den Betrieben gesucht werden.
Das war der Grundgedanke, aus dem das Bfz Methode entwickelte. Das erste größere Projekt startete 1984. Arbeitslose Jugendliche restaurierten in Mülheim an der Ruhr ein marodes Fachwerkhaus und bauten es zu einer Bürgerbegegnungsstätte um. Der Erfolg war nicht nur sichtbar, sondern sprach sich schnell herum. Viele der jugendlichen „Restaurateure“ gingen nahtlos vom obligatorischen Betriebspraktikum über in eine Festanstellung.
In den nächsten Jahren folgten weitere zahlreiche Projekte mit spektakulären Ergebnissen. Arbeitslose Jugendliche bauten unter der Regie eines handwerklichen Bauunternehmens Sozialwohnungen für kinderreiche Familien. Ein 500 Jahre alter, mit Wasserkraft betriebener Schmiedehammer wurde ebenso restauriert wie eine etwa 100 Meter lange und bis zu vier Meter hohe mittelalterliche Wehrmauer. Diese Projekte mit arbeitslosen Menschen im Rahmen beruflicher Qualifizierung waren ein weiterer Grundstein für das Triple Z. Es wuchs die Überzeugung: Wenn man nur will und es angemessen organisiert, ist (fast) alles möglich.
Der Essener Konsens
Bei der Suche nach geeigneten zu restaurierenden Objekten waren zwei Dinge wichtig. Sie mussten einem öffentlichen oder gemeinnützigen Zweck
dienen, und die Arbeit durfte dem ersten Arbeitsmarkt keine Aufträge entziehen. Es wäre fatal gewesen, wenn arbeitslose Menschen durch ihre Leistung im ruinösen Wettbewerb – weil öffentlich gefördert – Arbeitern und Angestellten in Betrieben die Arbeit weggenommen hätten.
Der Verwaltungsausschuss des Essener Arbeitsamtes spielte deshalb in dieser Frage eine entscheidende Rolle und war bereits vor 1994 Mitinitiator des Netzwerkes Essener Konsens. Der aus Vertretern der Politik, Wirtschaft und Verwaltung paritätisch gebildete Ausschuss ist im Rahmen der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit (heute Bundesagentur für Arbeit) gesetzlich verankert. Er soll den Konsens im Fall divergierender Interessen finden.
Neu waren die Ernsthaftigkeit und die Dialogkultur, die von den handelnden Personen entwickelt wurde. Stellvertretend für alle Mitglieder des Gremiums seien deshalb hier genannt: Hans Gerhard Dohle, der damalige Direktor des Essener Arbeitsamtes, Eckart Löser, der damalige DGB-Kreisvorsitzende, Ulrich Meier, der Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, und Dr. Horst Zierold, damals Prokurist der Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft und später der erste Vorstandsvorsitzende der Triple Z AG. Über alle Arbeitsmarkt-Projekte in Essen wurde hier der Konsens gebildet. In einem offenen und äußerst fairen Dialog wurden unterschiedliche Interessen abgeglichen. Gab es Interessenslagen, die nicht konsensfähig waren, so kam das Projekt nicht zustande.
Diese Form der ehrlichen und damit Vertrauen aufbauenden Zusammenarbeit hatte Erfolg und schnell vorzeigbare Ergebnisse. Das wiederum erleichterte das Gewinnen von Fürsprechern und Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung.
Der Essener Konsens war letztlich aus einer Situation entstanden, die alle am Tisch nur zu gut aus ihrem beruflichen Alltag kannten: Die komplexen Probleme von Arbeitsmarkt und Strukturwandel sowie die knappen finanziellen Mittel zwangen zum gemeinsamen Handeln. Größere Aufgaben waren allein nicht mehr zu stemmen, solidarisches Handeln war gefragt. Bis heute funktioniert der Essener Konsens praktisch auf Zuruf, er lebt vom guten Willen aller, es gibt keine verbriefte Rechtsform, keine Geschäftsordnung und auch keine Verteilung von Zuständigkeiten.
Das Triple Z hat viele „Hebammen,“ wie es Werner Dieker, noch heute Aufsichtsratsvorsitzender des ZukunftsZentrumZollverein, einmal treffend formulierte. Der Essener Konsens war eine davon. Die erfolgreiche Zusammenarbeit im Essener Konsens und die ersten abgeschlossenen Arbeitsmarktprojekte riefen förmlich nach größeren Aufgaben. Das Essener Berufsförderungszentrum hatte seit längerer Zeit internationale Kontakte entwickelt. Der Vorstandsvorsitzende, Norbert Meyer, stieß dabei auf ein hoch interessantes Projekt in London.
Hier hatten – ähnlich wie die Akteure im Essener Konsens – „Networker“ aus einem stillgelegten Industriekomplex ein Existenzgründerzentrum
entwickelt. Der besondere Charme lag in dem schlichten und pragmatischen Konzept: Die alles entscheidende Rolle spielten die Existenzgründer selbst, ihre Geschäftsideen hatten sie eigenverantwortlich umzusetzen und zu verwirklichen. Das Dach überm Kopf und Erste-Hilfe-Tipps für StartUp-Unternehmen gaben ihnen die Macher des Zentrums. Das Projekt aus dem Londoner Osten stieß im Essener Konsens auf großes Interesse.
Motor des Strukturwandels
Die Idee des Triple Z war so einfach wie ehrgeizig zugleich: die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Förderung von Existenzgründungen. Triple Z war
somit von Anfang an auch als kommunaler Motor des regionalen Strukturwandels gedacht.
Die Immobilie war schnell gefunden. Die Essener Wirtschaftsförderungsgesellschaft (EWG) – Mitwirkende im Essener Konsens – schlug die verlassenen Gebäude der ehemaligen Schachtanlage Zollverein 4/5/11 als Standort vor. Die Fokussierung auf diesen Gebäudekomplex bot einen weiteren Vorteil: Hier konnte man ein exemplarisches Beispiel für Stadtteilerneuerung geben. Der Pütt stellte die „Hülle“, die Gebäude blieben erhalten, und zugleich wurde der Stadtteil wiederbelebt durch Existenzgründer, die bereit waren Neues zu formen, Risiken einzugehen und Arbeitsplätze zu schaffen. Durch sie erhielt Katernberg lange vor der Ernennung von Zollverein Schacht 12 zum Weltkulturerbe ein zukunftweisendes Gesicht.
Der „kreative Humus“ war bereitet und an engagierten Menschen aus unterschiedlichsten Institutionen mangelte es nicht. In weniger als zwei Jahren entstand aus den Ruinen einer ehemaligen Schachtanlage ein funktionierendes Zentrum zur Förderung von Existenzgründern. Doch ganz so einfach war es natürlich nicht.
Die Ausgangslage war mehr als dürftig. Die verlassenen Gebäude waren von allen Versorgungsleitungen abgeschnitten – kein Wasser, keine Heizung, kein elektrischer Strom. Durch die maroden Dächer und Fenster drang Regen in die Gebäude ein. Das ehemalige Zechentor war mit einer dicken Kette und einem schweren Vorhängeschloss gesichert. Auf einem Schild stand: „Betreten der Bergwerksanlage verboten“.
Es gab eine formale, finanzielle „Förderkulisse“ des Landes NRW und der EU für Stadtteile mit besonderem Erneuerungsbedarf – Essen-Katernberg gehörte zu diesen förderungsfähigen Gebieten. Nach allgemein üblicher Praxis hätte danach zunächst eine Planungsphase mit der Bestandsaufnahme und konzeptionellen Entwicklungen begonnen, eine Vielzahl von Institutionen hätten gehört, Anträge formuliert, modifiziert und abermals geändert werden müssen. Kein leichter, vor allem kein schneller Weg, um die Förderbedingungen zu erfüllen.
Der Essener Konsens löste das Problem auf seine Art. „Am Anfang steht die Tat“ war ein wichtiges Handlungsprinzip des Forums. Einige Konsens-Aktive schreckte deshalb der „formale Berg“ nicht ab. Im Gegenteil: Sie hatten das Bild des London Business Village vor Augen und den festen Willen, etwas Ähnliches in Essen aufzubauen.
In Nottuln bei Münster kamen im Januar 1995 über 40 Teilnehmer zu einem zweitägigen Workshop zusammen. In dieser so genannten „Zukunftswerkstatt“ sorgten Referenten aus England und Israel zunächst für weiträumigen Blick, bevor es an die Entwicklung und Konkretisierung des Triple Z ging, besser des „EBV“. Denn unter dem Eindruck aus London und in Anlehnung an das London Business Village hatten die Teilnehmer das Projekt Essener Business Village (EBV) getauft. Eines zeigte sich in dieser Geburtsstunde ganz deutlich: Das Projekt war nicht nur Kopf-, sondern Herzenssache.
Gründung der InGeKa
Um die in Nottuln entwickelten Bilder und Szenarien lebendig zu halten, wurde im Februar 1995 die Interessen-Gemeinschaft Katernberg (InGeKa)
gegründet. Auch die InGeKa hatte – ähnlich wie der Essener Konsens – keine Rechtsform. Sie war handlungsfähig, weil ihre Mitglieder von der Machbarkeit des Projektes fest überzeugt waren. Noch in der Gründungsversammlung wurden zahlreiche Arbeitsgruppen gebildet, konkrete Aufgaben verteilt und Zuständigkeiten festgelegt. So gab es unter anderem eine Arbeitsgruppe, die das Konzept des Existenzgründerzentrums entwickelte. Eine andere Gruppe kümmerte sich um die Erschließung öffentlicher Mittel, Aufgabe einer weiteren Gruppe war die Planung des Umbaus und der notwenigen Baumaßnahmen. Eine Lenkungsgruppe sorgte dafür, dass alle Arbeitsgruppen stets den gleichen Informationsstand über die Projektentwicklung hatten.
Vier Monate nach Nottuln, im Mai 1995, war schließlich auch der Name gefunden: „ZukunftsZentrumZollverein“. Weil er für den alltäglichen Sprachgebrauch ein wenig zu lang und sperrig war, bekam er den Anhang „Triple Z“. Bei der Verabschiedung des Namens ahnte damals noch niemand, dass Zollverein einmal Weltkulturerbe werden sollte. Klar war nur, dass es Sinn machte, den Namen des Verbundbergwerkes Zollverein zu erhalten. Denn die Zusammenarbeit zwischen den Akteuren auf den ehemaligen Zollverein-Schachtanlagen war damals zentraler Wunsch.
Ein Beispiel unter vielen für die Denk- und Arbeitsweise in den Gruppen und vor allem für ihren unerschrockenen Konsenswillen war auch die Diskussion um die Rechtsform des künftigen Zentrums für Existenzgründer. Alle waren davon überzeugt, dass das Zentrum nach einer Anschubfinanzierung für die bauliche Erstellung wirtschaftlich selbstständig sein müsste. Es wäre widersinnig, so die Meinung der Zukunftswerkstatt, die Betreibergesellschaft des neuen Existenzgründerzentrums durch die öffentliche Hand zu füttern. So mache man Existenzgründern keinen Mut, wirtschaftliches Risiko einzugehen. Die Idee der Aktiengesellschaft war geboren. Der öffentliche Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten. Es war schließlich die Zeit der Diskussionen über Turbokapitalismus und schnelle Börsendeals.
Doch die Argumente überzeugten, auch die Kritiker der AG-Rechtsform stimmten zu. Was sprach für eine Aktiengesellschaft? Erstens, so die Befürworter, stellt nur eine Kapitalgesellschaft die Begegnung zwischen Zentrumsleitung und den Existenzgründern auf Augenhöhe her. Zweitens ist die Entscheidung für eine Kapitalgesellschaft zugleich Bekenntnis dafür, dass man an den wirtschaftlichen Erfolg des Projektes glaubt. Und drittens ist die Aktiengesellschaft wegen ihrer Transparenz die sauberste Form einer Kapitalgesellschaft, sie unterscheidet sich im Grundsatz nicht von der ursozialdemokratischen Idee der Genossenschaft. Und wie sich die neue Aktiengesellschaft politisch darstellt, bestimmen letztlich die Rechtsträger durch ihre Satzung.
Zudem ermöglicht die Aktiengesellschaft – wie keine andere Rechtsform – eine Kombination von öffentlicher und privater Finanzierung des Projektes. Sie erfüllt somit die Forderung der Zeit nach Bündelung von öffentlicher und privater Finanzierung sozialer Aufgaben (Public Private Partnership). Durch Aktien im Streubesitz, so die AG-Befürworter, könne die gewünschte breite Bürgerbeteiligung am besten erreicht werden. Das Interesse der Bürger an „ihrem Unternehmen“ sei bei einer Aktiengesellschaft von dauerhafter Wirkung, die Jahreshauptversammlung werde zu einer bedeutenden Veranstaltung im Stadtbezirk.
Prominente Aktionäre
Und noch ein Argument sprach für die Rechtsform der AG: Prominente Persönlichkeiten konnten als Aktionäre gewonnen werden und somit zu einer
überörtlichen Bekanntheit des Gründerzentrums beitragen. Und in der Tat: Heute zählen zu den Triple Z-Aktionären der ehemalige Bundeskanzler Gerhard Schröder, verschiedene (ehemalige) Minister, Professoren, Künstler und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens.
Im August 1995 – finanziert durch das Arbeitsamt – begannen Bfz-Teilnehmer einer beruflichen Qualifizierung mit den ersten vorbereitenden Bauarbeiten. Sie kamen aus verschiedenen Handwerksberufen und erfüllten die „Ruine“ mit Leben. Sie dichteten Fenster ab, entrümpelten Räume, Hallen und Gelände, richteten eine provisorische Energieversorgung ein und stellten die ersten nutzbaren Aufenthalts- und Schulungsräume her.
Anfangs gab es nur unvollständige Gebäudeunterlagen, so dass Aufmaße und Bestandsuntersuchungen gemacht werden mussten. Doch schließlich war alles komplett: Lehrgangsteilnehmer hatten im Rahmen ihrer beruflichen Qualifizierung unter Bfz-Regie auch die Unterlagen vervollständigt.
Eine Entscheidung über die zukünftigen Besitzverhältnisse gab es immer noch nicht, ebenso wenig einen Etat oder eine Zusage öffentlicher Förderung. Wer die Aktiven im Essener Konsens nicht kennt, die Solidarität untereinander, die Tragfähigkeit und Kraft ihrer Beschlüsse, der würde diese Vorgehensweise als unverantwortlich einstufen. Nicht so der Essener Konsens. Er war felsenfest vom Projekt Triple Z überzeugt. Grenzenloser Optimismus, urwüchsiges Vertrauen und ein gesunder Glaube an die eigene Kraft trieben die Aktiven an.
Mut gehörte auch dazu. Zum Beispiel der von der Montangrundstücksgesellschaft (MGG), die erstmals mit im Boot der Essener Arbeitsmarktprojekte saß und die Verantwortung für die Immobilie trug. Aber auch die MGG-Verantwortlichen waren vom Projekt überzeugt und gaben ihre Zustimmung, obwohl wichtige Fragen noch ungeklärt waren.
Um das ganze Vorhaben überschaubar zu halten, gliederte man das Bauprojekt zunächst in zwei Bauabschnitte, ein dritter war vage angedacht. Geplant war, auf dem Gelände Schritt für Schritt vermietbare Einheiten herzurichten und so schnell wie möglich erste Existenzgründer zu gewinnen. Ihre Bedürfnisse sollten so weit wie möglich beim weiteren Umbau der ehemaligen Schachtanlage berücksichtigt werden.
Workshop für Existenzgründer
Der erste Workshop mit Interessenten startete im Oktober 1995. Der Raum, in dem sich Triple Z-Leitung und angehende Existenzgründer trafen, war unvollständig her- und eingerichtet. Vielleicht machte gerade dieser improvisiert anmutende Rahmen das Triple Z bei den Interessenten so sympathisch und glaubwürdig. Denn natürlich sprach man auf diesem Workshop auch über das Business Village in Großbritannien und dessen Betriebskonzept: Eine schlichte Ausstattung, ein schlankes Management und deshalb niedrige Mietkosten für junge Unternehmer.
Ziel des Workshops war es, nicht nur die Idee des neuen Essener Gründerzentrums vorzustellen, sondern auch eine bunte Vielfalt von Geschäftsideen und Unternehmen zu gewinnen, um ein möglichst großes und wirksames Feld für Synergieeffekte zu entwickeln.
Im Oktober 1995 traf über die Stadt Essen – das Triple Z hatte immer noch keine Rechtspersönlichkeit – der erste Zuwendungsbescheid des Landes NRW ein. Die ersten bausichernden Maßnahmen und eine systematische Exploration waren damit nun möglich.
Der erste Bauabschnitt mit circa 2.000 m² Mietfläche hatte ein Finanzvolumen von damals 4,6 Mio. DM (ca. 2,4 Mio. Euro). Angereichert wurde dieses Kapital durch das Arbeitsamt, indem es dem Triple Z Arbeitskräfte – Teilnehmer beruflicher Qualifizierungs- und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen – zur Verfügung stellte. Durch die Kombination verschiedener öffentlicher Fördertöpfe konnte das Finanzierungskonzept schließlich realisiert werden.
Während einige darüber stritten, ob und wann Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dem ersten Arbeitsmarkt Arbeit entzögen, zeigte das Beispiel Triple Z den umgekehrten Effekt. Durch den Umbau der ehemaligen Bergwerksanlage als Arbeitsmarktprojekt flossen bereits im ersten Bauabschnitt Auftragsvolumina an Betriebe des Essener Handwerks.
Das Besondere: Mit dem Entstehen von Triple Z nahm die Idee, Arbeit zu schaffen, Form an. Die Beschäftigungsförderung, die auch im Fokus des Essener Konsens stand, bekam eine neue Qualität: Die Triple Z AG wurde ABM-Träger und war für 20 Teilnehmer arbeitsrechtlich verantwortlich. Die Gesellschaft stellte für fast zwei Jahre praktisch ein „eigenes“ Bauunternehmen, für das Werkzeuge und Baugeräte angeschafft wurden. Damit verbunden waren die berufliche Qualifizierung und die (Wieder-) Heranführung von teilweise gering qualifizierten Arbeitskräften an den ersten Arbeitsmarkt.
Im Umkehrschluss zeigte sich: Die ABM-Kräfte erwirtschafteten einen Mehrwert, der es möglich machte, den zukünftigen Unternehmern im Triple Z eine gut ausgestattete Infrastruktur zu einem moderaten Mietpreis anzubieten. Arbeitslose Menschen hatten einen erheblichen Beitrag zur Stabilisierung von Existenzgründungen geleistet und damit zur Schaffung neuer Arbeitsplätze im ersten Arbeitsmarkt beigetragen.
Das Jahr 1996 war geprägt durch den Umbau und die Weiterentwicklung der Konzeption. Nachdem die Bergaufsicht die Gebäude des ersten Bauabschnittes formal entlassen und somit freigegeben hatte, kaufte die Stadt Essen die Immobilie für das Triple Z. Im November 1996 wurde schließlich die Aktiengesellschaft gegründet. Der Entwurf der Aktie war zuvor von der Sparkasse Essen in einem Wettbewerb unter Designstudenten der Universität Essen ausgelobt und prämiert worden.
Der Bau des Triple Z ging mit Tempo voran. Im März 1997 zog der erste Mieter ins neue Katernberger Gründerzentrum ein. Die weitere Vermietung erfolgte während des Jahres 1997 Zug um Zug, sobald Mieteinheiten fertig und übergabereif waren. Der erste Bauabschnitt war im Juni 1998 komplett fertig gestellt.
Baustaub und Lärm waren zwar für alle störend, aber nicht hinderlich. Im Gegenteil: Sie schienen den Pioniergeist der Jungunternehmer und der Triple Z-Mitarbeiter zu forcieren. Wie groß die Dynamik in dieser Entwicklungsphase war, zeigen die folgenden Daten: Mitten in der Bauphase des ersten Bauabschnittes – ab Februar 1997 – begann die Planung des zweiten Bauabschnittes mit weiteren 5.000 m² Mietfläche und einem Finanzvolumen von ca. 8,5 Mio DM (ca. 4,3 Mio Euro).
Weil alle von der Realisierung überzeugt waren, entschloss man sich, die Versorgungssysteme und Parkplätze bereits im „big size“-Format und entsprechend der geplanten Ausbaustufe anzulegen. Die Stadt Essen trug diesen Optimismus mit und beschloss in der Ratssitzung vom 29.10.1997, die Finanzierung des zweiten Bauabschnittes gegebenenfalls vorzufinanzieren. Das Triple Z hatte sich in kurzer Zeit von einer Projektidee zu einem dynamischen Gründerzentrum entwickelt und war auf dem besten Weg, weiter zu wachsen.