Rund 150 Jahre Bergbau-Geschichte haben im Essener Norden und im Gelsenkirchener Süden nicht nur reizvolle historische Bauwerke wie Zollverein 4/5/11 hinterlassen. Für die vielen tausend Bergarbeiter-Familien wuchs auch eine städtische Infrastruktur, die sich stetig weiter entwickelt und sich den geänderten Bedürfnissen und steigenden Ansprüchen anpasst.
Radwege zur Industrie-Kultur
Die Kulturlandschaft die mit Zollverein wuchs und nach dem Ende des Bergbaus blieb, ist sogar derart reizvoll, dass Gäste von weit her kommen, um sie auf unterschiedlichen Wegen zu erleben. Auf Radwegen zum Beispiel, etwa der Route Nord des immer dichter gewebten touristischen Radwegenetzes der Stadt Essen. Diese Erlebnis-Route führt vom Rhein-Herne-Kanal auf die Schurenbachhalde, zum Schacht XII und auch zum Triple Z. Gegenüber der Gebäude 7 und 8 erklären Gästeführer ihren Gruppen – an Sommer-Wochenenden mehrmals täglich – die Geschichte der Schachtanlage 4/5/11 vom ersten Abteufen 1893 bis zu ihrer heutigen Nutzung als erfolgreiches Gründungs- und Unternehmenszentrum. Da dieser Radweg in erster Linie ehemaligen Güter-Bahntrassen folgt, ist er erstens nahezu steigungsfrei, begegnet zweitens kaum dem übrigen Verkehr. Und drittens erschließt er vor allem die technischen Denkmäler.
Wege durch die Kulturlandschaft Zollverein
Näher zu den Menschen und ins direkte Wohnumfeld führt der Rundweg Industrielle Kulturlandschaft Zollverein, eine der 25 Thementouren der Route der Industriekultur . An 31 Stationen wird erzählt, wie aus dem Dörfchen Katernberg mit kaum 400 Einwohnern eine Stadtlandschaft rund um die Zeche Zollverein mit mehr als 20.000 Menschen wurde. Um das Jahr 1900 lebten bereits 10.000 Menschen hier in eilig gebauten Zechensiedlungen, die damals aus guten Gründen Kolonie genannt wurden. Sie waren auf der „grünen Wiese“ entstanden – oft ohne Verkehrsanschlüsse und ohne Einkaufsmöglichkeiten. Gegenüber des Triple Z-Haupteingangs gab es eine der ersten „Konsumanstalten“, in denen sich die Arbeiterfamilien mit Lebensmitteln versorgen konnten.
Ebenfalls um das Jahr 1900 herum entstand der Katernberger Marktplatz, auf dem noch immer dienstags und freitags morgens ein Wochenmarkt abgehalten wird. An diesen Tagen lässt sich zwischen 10 und 12 Uhr der „Bergmannsdom“ besichtigen, die evangelische Kirche Katernbergs. Der Blick ins Innere überrascht: Eine moderne Stahlkonstruktion mit unverkleideten gusseisernen Säulen würde man in dem traditionellen Backsteinbau kaum vermuten.
Kirchen und Moschee
Da beim Zuzug der dringend benötigten Arbeitskräfte niemand nach der Konfession fragte, wuchs die katholische Gemeinde ähnlich schnell wie die evangelische. So entstand fast zeitgleich nur ein paar hundert Meter entfernt am Joseph-Schüller-Platz die St. Josef Kirche, deren Gemeinde Anfang der 1920er-Jahre zu den größten Pfarreien Deutschlands geworden war.
Seit den 1960er-Jahren wächst die islamische Glaubensgemeinschaft auch in Katernberg, hier entstand aus gutem Grund die erste Moschee in Essen. Das alte Gebetshaus an der Katernberger Straße fiel 1995 einem Brandanschlag zum Opfer. Aber schon 1998 wurde an der Schalker Straße gleich am Triple Z die Fatih-Moschee eröffnet. Möglich wurde dies durch das gemeinsame Engagement des Vereins Türkische Moschee Essen Katernberg e.V. mit Vertretern der Stadt Essen, der Kirchengemeinden, politischen Bezirksvertretungen und engagierten Bürgern. Dies fand bundesweite Anerkennung, und der Stadtbezirk erhielt im Jahr 2000 eine Auszeichnung im Rahmen des Bundeswettbewerbes Soziale Stadt.
Wellness, Sport und Natur-Erleben
Das Triple Z liegt nicht nur direkt an der Stadtgrenze Essens zu Gelsenkirchen, das Zentrum liegt auch am Übergang von städtischer Bebauung und Parklandschaft. Die alte Zollverein-Halde bietet reizvolle Laufstrecken für jedes Temperament.
Und wer nur ein paar hundert Meter auf dem Radweg am Zentrum in Richtung „Schacht XII“ fährt, gelangt in den Nienhauser Park, 1972 als Revierpark eröffnet und ein frühes Zeichen für den einsetzenden Strukturwandel: Wie die übrigen vier großen Revierparks war er noch gedacht als Ausflugs- und Naherholungsziel für die Arbeiter der Montanindustrie. Er bot aber schon früh Sporteinrichtungen für all jene, die nicht bis zur körperlichen Erschöpfung unter Tage oder an den Koksofen-Batterien malocht hatten. Der Park ist weiter mit der Zeit gegangen: 2011 wurde der umfassende Aus- und Umbau der einzelnen Bereiche abgeschlossen. Heute bietet der Gesundheitspark Nienhausen Sauna und Sole, Sport und Gesundheit, Physiotherapie, Wellness, Freibad, Gastronomie, ein Seminarzentrum und nicht zuletzt den weitläufigen und weithin beliebten Park.
In Gegenrichtung führt der Radweg auf kurzer Strecke in den Nordsternpark. Nur vier Jahre nach der Schließung der Zeche entstand die Grünanlage 1997 im Rahmen einer Bundesgartenschau und ist heute Mitglied im exklusiven Club des European Garden Heritage Network (Netzwerk des europäischen Gartenerbes). Zu den Highlights des Parks gehören der DeutschlandExpress, die drittgrößte Märklin-Modellbahn-Anlage Deutschlands, das Amphi-Theater mit zahlreichen sommerlichen Open-Air-Veranstaltungen, der Nachbau eines Schachtes zum Steinkohlenbergbau sowie der Ziegenmichel-Hof. Letzterer bietet ein „ökologisches Catering“, eine schöne Gastronomie im Grünen sowie einen Erlebnisbauernhof für Kinder und Jugendliche, der bereits zweimal von der deutschen UNESCO-Kommission ausgezeichnet wurde. Außerdem startet in den Sommermonaten die Weiße Flotte im Nordsternpark zu Ausflugsfahrten auf dem Rhein-Herne-Kanal, die unter anderem auch zur Zoom-Erlebniswelt, dem ehemaligen Gelsenkirchener Ruhr-Zoo, führen. Noch ein kurzer Abstecher in die Nachbarstadt: Schloss Horst ist eines der wichtigsten Beispiele der Lipperennaissance. Seit dem Jahr 2010 lässt sich der Baugeschichte in einer spannenden Erlebnisausstellung nachspüren, die übrigens von der Firma Kalle Krause, einem ehemaligen Triple Z-Mieter, gestaltet wurde.
UNESCO-Welterbe Zollverein
Das bedeutendste Baudenkmal der Region ist aber natürlich Zollverein Schacht XII, zusammen mit der Kokerei und der Gründungsschachtanlage 1/2/8 seit 2001 UNESCO-Welterbe. Ein Baudenkmal, das sich in den vergangenen Jahren mit Leben gefüllt hat. Hier ist das Portal der Industriekultur: Eines der fünf großen Besucherzentren, die im Kulturhauptstadtjahr eingerichtet wurden. Wer eine Einstimmung braucht auf das Ruhrgebiet, bekommt sie hier mit dem spektakulären Panaromafilm RUHR 360°. Das Ruhr Museum in der ehemaligen Kohlenwäsche zeigt die Geschichte und Erdgeschichte der Region. Wer im Ruhrgebiet aufgewachsen ist, stöbert hier gerne durch die Foto-Ausstellung, die aus der schier unerschöpflichen Sammlung des Museums immer wieder neu bestückt wird. Im Kesselhaus zeigt und prämiert das Designzentrum NRW (heute red dot design museum) Glanzlichter der Produktgestaltung. Das Tanzzentrum NRW (PACT) in den Räumen der ehemaligen Waschkaue ist internationaler Treffpunkt für Künstler aus den Bereichen Performance, Bildende Kunst, Tanz und Medien. Das gastronomische Angebot rund um Schacht XII reicht von der guten alten Currywurst vom fahrbaren Imbiss-Stand im Sommer bis zur ambitionierten Küche im Casino.
Konzipiert und gebaut wurde Schacht XII 1932 als reine Förderanlage für Kohle. Die übrigen Schachtanlagen, auch Zollverein 4/5/11, blieben noch lange in Betrieb für Materialfahrten, Bewetterung und für die Grubenfahrten der Bergarbeiter.